thola.deThorsten Lange
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10.10.2024 |
Münsterlandgiro 2016 - 70 kmMeine inzwischen achte Teilnahme an diesem Radrennen (bei einer witterungsbedingten Nichtanreise) und mein 26stes Jedermannrennen insgesamt führte diesmal wie üblich über die kurze Strecke. Bisher bin ich einmal über die mittlere Distanz angetreten, aber die kurzen Distanzen schwankten bisher stark von Jahr zu Jahr zwischen 58 und 77 km. Zur Zeit der Anmeldung im Frühjahr kann ich eben schwer abschätzen, wie gut das Wetter im September noch zum Trainieren geeignet ist und wie kalt oder regnerisch der Münsterlandgiro abläuft. Wo wir schon bei Statistiken sind, übernachtete ich zum dritten Mal hintereinander im für Radfahrer empfehlenswerten Hotel Martinihof und ging am Abend vor dem Rennen auch zum dritten Mal hintereinander im nahe gelegenen, kleinen italienischen Restaurant Mediterraneo essen: Eine sehr gute Speisekarte mit Pasta und Fleischgerichten, dafür keine Pizza, nette Bedienung und ein jüngerer Chef/Oberkellner, der früher selbst Rennrad gefahren ist. Diesmal war fast der ganze untere Bereich durch eine Rad-Gruppe belegt, neben der ich gerade noch einen Einzeltisch bekam. Leider gab es keinen O-Saft mehr, da wohl über das ganze Wochenende hinweg zu viele Radfahrer eingekehrt waren. Nach einem angenehmen Frühstück um 7 Uhr zusammen mit ausschließlich Rennradfahrern und einem kleinen Gespräch über Radrennen schmiß ich mich in die Fahrradkleidung. Trotz der kühlen Temperaturen von vorhergesagten maximal 11°C zur erwarteten Zielankunft und mindestens eines starken Regenfalls am Abend zuvor wählte ich eine kurze Hose mit kurzer Laufhose darunter, dazu eine Jacke und darüber das grüne Trikot der Tour d'Energie. Auf dem Hinterhof des Hotels standen mehrere andere Teilnehmer und bereiteten ihre Räder vor. Die Veranstalter hatten diesmal eine etwas unglückliche Wahl des Transponders gewählt, der an der vorderen Gabel festgezurrt werden mußte. Ich hatte dies am Abend durchgeführt und mußte etwas herumprobieren, bis der Transponder fest saß und sich nicht durch zu lockere Befestigung um die Gabel in die Speichen hinein drehen konnte. Zusammen mit einem anderen Hotelgast rollte ich die etwa vier Kilometer bis zum Startbereich und stellte mich dort ganz hinten in Block A, der sich in den folgenden Minuten bis zu mir hin füllte. Kurz nach mir kam ein anderer Teilnehmer und stellte sich hinter mich. Ich sprach ihn an wegen seines gut aufgemotzten normalen Fahrrads. Wahrscheinlich war er der einzige Teilnehmer in Block A ohne Rennrad. Im Gespräch stellten wir fest, dass wir beide aus Göttingen kamen. Er trug ein Firmentrikot mit Aufschrift Göttingen.
Nachdem die VIP-Teilnehmer mit einer halben Minute Vorsprung losgefahren waren, rollte das Feld plötzlich los. Sonst hatte es eigentlich immer einen Countdown gegegen. Irgendwie war ich völlig überrascht worden und kam dann peinlicherweise mit den feuchten Sohlen der Rennradschuhe nicht in die Click-Pedale hinein! Es muß sehr komisch ausgesehen haben, dass die letzten Teilnehmer des Blocks schon 20 Meter vor mir fuhren, ich aber noch mit Einrasten beschäftigt war! Die Leute an der Startlinie guckten auch schon verwundert, als ich als letzter mit Abstand dann doch noch gerade vor der erneuten Sperrung für Block B über die Linie rollte. Glücklicherweise folgte nach hundert Metern erst einmal ein enger Kreisel mit Abzweigung nach links, an dem ich bereits wieder Anschluß gefunden hatte, und kurz darauf ein zweiter enger Kreisel. Langsam ließ ich die letzten Reihen des Startblocks hinter mir und suchte den Windschatten im beschleunigenden Feld. Vorne fand sicher schon eine heftige Gruppenbildung mit hoher Geschwindigkeit statt, aber hinten ging es gemächlicher zur Sache und mit um die 40 km/h aus Münster hinaus. Die Schwierigkeiten in dieser Phase bestanden im Beobachten von Lückenbildungen in den Metern vor einem selbst und dann einem kurzen Antritt, um die Lücke schließen und Anschluß nach vorne halten zu können. Manche Fahrer selbst aus Block A scheinen den Sinn des Windschattens nicht vollständig verstanden zu haben. Im Gegensatz zu meinen bisherigen Starts aus Block B in Münster (meistens) und noch weiter hinten bei anderen Rennen und in früheren Jahren liefen die ersten zehn Kilometer aber relativ ruhig und ohne viele Zwischenspurts ab. Der einzige Aufreger bestand nach ziemlich genau 15 Minuten im Vorbeiziehen von sicherlich 30 Fahrern aus Block B. Die Straße wurde quasi zu eng, links schob sich die Kette der B-Leute vorbei am nach rechts gedrängter fahrenden A-Feld. Nach 12 Kilometern führte die Strecke über zwei Buckel mit 30 oder 40 Höhenmetern und nach einer kurzen Abfahrt und einer engen Kurve ging es dann in die einzige richtige Steigung und den steilsten Anstieg hinein. Im wesentlichen blieb die Steigung bei 3 bis 5 Prozent über knapp drei Kilometer moderat und zog im unteren Bereich einmal kurz auf 8 Prozent und im oberen Bereich für maximal 100 Meter auf 12 Prozent an. Die fahrtechnische Schwierigkeit besteht in der Enge des vielleicht zwei Meter breiten Wirtschaftsweges. Als ich erstmals diesen Abschnitt in einem hinteren Block hochfuhr, blieben viele Mitfahrer fast stehen. Dieses Mal in Block A fuhr ich zwar wieder links an den meisten Mitfahrern vorbei, aber die allgemeine Geschwindigkeit war doch höher. Oben am Gipfel erwartete uns dann dichter Nebel mit 50-100 Metern Sichtweite. Die Straße bzw der Feldweg wurde entsprechend naß und ein paar enge Kurven sind im unten folgenden Profil meines Garmin-Fahrrad-Computers deutlich an der verminderten Geschwindigkeit zu erkennen. Ich nutze die 6 bis 7 Kilometer lange sachte Abfahrt zu einer ersten Verpflegung und wartete auf die Neubildung einer Gruppe aus den ganzen Fahreren, die von hinten auf mich auffuhren. Zunächst kam ein Pulk mit VIP-Nummern vorbei, die ziemlich locker fuhren und sich die ganze Zeit unterhielten. Es dauerte ein wenig, bis ich mich hinter sie zurückfallen lassen konnte und dann eine Lücke fand, um nach links zu wechseln und wieder an ihnen vorbei zu fahren. Bis Kilometer 31 ließ ich die große Gruppe an mir vorbei ziehen und nutzte dann eine kurze Steigung, um wieder nach vorne zu fahren und das gleiche auf den folgenden fünf Kilometern "bergab" erneut durchzuführen. In einigen langgezogenen Kurven zeigte sich die enorme Größe dieser einen Gruppe, die mit knapp über 40 km/h sehr langgezogen fuhr und aus mehr als 100 Teilnehmern bestand. Zwischenzeitlich ging die erste Rennstunde zu Ende und 33.2 Kilometer lagen hinter mir. Irgendwie war ich enttäuscht und hatte von Block A doch mehr erwartet, aber die Steigungen lagen ja auch fast vollständig in der ersten Streckenhälfte. Die Gruppe wuchs über den nächsten Buckel bei Kilometer 43 weiter. Neben einem Wohnwagen in der Steigung stand ein älterer Mann und rief uns "Ihr habt sechseinhalb Minuten Rückstand!" hinterher. Sehr witzig, also ob das hier jemanden interessiert hätte. Inzwischen war mir die Gruppe zu groß und vor allem in einigen Ortsduchfahrten auch zu dicht geworden. Also begab ich mich wieder ganz an das Ende des Pulks und blieb dort bis zur Zieldurchfahrt, also fast 30 Kilometer lang. Direkt in meinem Umfeld fuhren noch zwei "Schiedsrichter" oder "Ordner", einer davon immer ganz am Schluß des Feldes, sowie ein Paar von Tuspo Weende. In den Ergebnislisten konnte ich die beiden später identifizieren: Sie waren aus Block B gestartet und 70 Sekunden schneller als ich gefahren. Überhaupt sah ich bis zum Schluß nur noch einen Fahrer aus Block C. Das Rennen muß also doch so schnell gewesen sein, dass kaum jemand die drei oder vier Minuten Startabstand aufholen konnte. Im Streckenabschnitt von etwa Kilometer 53 bis 60 kam meine "Krise", die nur duch viel trinken und zwei Riegel überstanden werden konnte. Trotzdem hielt ich den Anschluß an die Gruppe. Die Schwierigkeiten in dieser Phase bestanden aus den scharfen Beschleunigungen nach jeder engen Kurve und jedem Kreisel. Ein Mitfahrer zückte neben mir plötzlich sein Smartphone und machte ein Selfie sowie Aufnahmen nach vorne ins Feld hinein und nach hinten auf die leere Straße. "Das glaubt mir sonst keiner!", meinte er zu diesem ungewöhnlichen Zustand. Vorne wurden immer wieder einzelne Fahrer aufgesammelt, die Anschluß fanden, und hinten fiel definitiv niemand aus dem Feld heraus. Die Größe bewegte sich also in Richtung 150 oder mehr bei einer Länge von über 100 Metern. Nach den letzten kleinen Buckeln im Bereich von 57 bis 59 Streckenkilometern ging es dann bis Münster nur noch abwärts mit Geschwindigkeiten um 40 km/h auf meistens breiten zwei- oder dreispurigen Straßen. In Münster selbst warteten noch ein paar Kurven auf das Feld. Die Veranstalter hatten absichtlich in diesem Jahr eine Streckenänderung durchgeführt, damit das Feld nicht zu schnell wird, denn in den letzten Jahren hatten sich immer wieder Stürze auf den letzten Kilometern ereignet. In diesem Jahr knallte es in meiner Riesengruppe direkt vor dem Zielstrich: Etwa 10-20 Meter vor mir gingen auf einmal eine ganze Reihe Fahrer zu Boden, und das keine 25 Meter vor dem Ziel! Als ich nach einer scharfen Bremsung um die Liegenden und ihre Räder herumkurvte, sah ich, das einige Gestürzte und deren Räder sogar durch das Ziel gerutscht waren. Wie ich später bei der Einfahrt und dem Anfeuern des 110-km-Feldes von einem neben mir stehenden Zuschauer erfuhr, soll wohl einer der Gestürzten länger behandelt worden sein. Auf dem Sammelplatz im Zielbereich sah ich dann auch einen jungen Fahrer mit komplett seitlich aufgerissener Hose.
Nach der Abgabe des Transponders überlegte ich, ob ich tatsächlich um diese Uhrzeit, etwa 10:45 Uhr, schon Pasta essen oder lieber zunächst ins Hotel rollen sollte. Irgendwie knurrte der Magen, also gab es Nudeln Bolognese als zweites Frühstück. Die vielen Biergartengarnituren waren noch feucht vom nächtlichen Regen, aber wie auch in der zweiten Hälfte des Rennens kam nun immer mehr Sonne durch. Trotzdem war mir nach der Mahlzeit in den verschwitzten Klamotten reichlich kalt, so dass ich nun wirklich durch die Stadt rollte und im Hotel die warme Dusche genoß. Ins Ziel kamen 1209 Männer und 226 Frauen über 70 km, 1462 Männer und 95 Frauen über 110 sowie 632 Männer und 29 Frauen über 140 km. Die Zeit des Siegers über 70 Kilometer betrug 1:41:53 Stunden bei einem Vorsprung von 66 Sekunden auf eine 16-köpfige Gruppe! Bei Platz 100 betrug die Fahrzeit 1:50:15 und bei Platz 200 1:54:05 und bei Platz 300 1:57:17. Die schnellste Frau benötigte auf der Strecke 1:48:56 Stunden. Die Siegerzeiten über 110 und 140 km betrugen 2:35:23 / 2:43:25 Stunden sowie 3:22:17 / 3:31:29 Stunden.
Ich selbst belegte in der Gesamtwertung mit 1:58:08 Stunden den Platz 345
von 1209, in der Altersklasse Männer Master 2 den Platz 115 von 378.
Gegenüber dem vergangenen Jahr lag ich also 246 bzw 96 Plätze weiter vorne
bei einer leicht höheren Teilnehmerzahl.
Der Start in Block A lohnte sich also!
Kurz nach 12 Uhr ging ich dann zum Zielbereich zurück und verfolgte etwa an der 25-Meter-Marke zunächst den Einlauf der "Spitzengruppe" auf der 110-km-Strecke als auch später alle anderen Aktivitäten im Zielbereich. Die "Spitzengruppe" bestand aus lediglich zwei Fahreren, die einen Sprint um den Sieg ausfuhren und dabei einen Vorsprung von etwa einer Minute vor den nächsten Gruppe hatten. Eine beachtliche Leistung auf der Strecke! Bei den vielen in der Folgezeit eintreffenden und stets mit Schlägen auf die Werbebande angefeuerten Teilnehmern bemerkte ich mehrere, die den gleichen Mini-Fahrrad-Rucksack trugen wie ich. Nachdem die ersten paar hundert Teilnehmer im Ziel eingetroffen waren, meldete sich mein Magen wieder und brauchte unbedingt Pommes. Leider hatte der nach einer Runde um die Ausstellermesse gefundene Verpflegungsstand nur eine defekte Friteuse und einen funktionierenden Grill, also nahm ich eine Bratwurst und verfolgte beim Essen die Siegerehrungen für die 140-km-Strecke. Anschließend begab ich mich wieder in den Zielbereich, verfolgte die nächsten "Finisher" und holte dann doch noch, als die Lücken zwischen den meistens einzeln oder zu zweit einrollenden Teilnehmern immer größer wurden, an einem anderen Stand endlich die Pommes. Kalorien! Nun begann das Warten auf die Zielankunft der Profis, die insgesamt vier Mal an den Zuschauern vorbei rasen sollten: Nach der ersten Zielpassage folgten noch drei Runden a 5 km durch die Innenstadt von Münster, bevor es schließlich zum Zielsprint kommen sollte. Leider begann gegen 15 Uhr der Regen. Das Warten an der 25-Meter-Marke zog sich bis gegen 16:20 Uhr hin, als die erste Zieldurchfahrt erfolgte. John Degenkolb gewann schließlich das Profi-Rennen in einem Sprintfinale aus einer kleinen Gruppe von etwas mehr als zehn Fahrern heraus, wobei ich das Trikot von Giant-Alpecin an meiner Position direkt an der 25-Meter-Marke bereits knapp vorne gesehen hatte. Mit ein paar Sekunden Abstand rollten dann Tony Martin und direkt danach auch Linus Gerdemann und Fabian Wegmann an mir vorbei, die beide aus dem Münsterland stammen. Wegmann bestritt bei diesem Rennen mutmaßlich sein letztes Rennen als Profi. Fast eine Minute nach dem Sieger rollten auch Marcel Kittel und danach ein sichtlich schlecht gelaunter Andre Greipel vorbei.
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