thola.deThorsten Lange
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10.10.2024 |
Münsterlandgiro 2024 - 95 kmDie Anmeldung startete bereits am Nachmittag der Vorjahresveranstaltung mit einem Niedrigstpreis, der nur zwei Tage lang galt. Bei den üblichen drei Strecken über diesmal 65, 95 und 125 km meldete ich mich umgehend für die mittlere Distanz an. Im Nachhinein hätte ich mich noch auf die kurze Distanz ummelden sollen, doch dazu später in diesem Bericht. Insgesamt stellte der Veranstalter bei der achtzehnten Austragung des Giro einen neuen Teilnehmerrekord mit 6000 Anmeldungen auf! Und ich selbst nahm bereits zum dreizehnten Mal teil, wobei ich mich 2022 und 2023 jeweils angemeldet hatte, aber kurzfristig gesundheitsbedingt nicht teilnehmen konnte. Im Jahr 2012 war ich ebenfalls angemeldet, fuhr aber auf Grund der Wettervorhersage nicht mir.
VorbereitungenEtwa fünf Wochen for dem Rennen wurde eine besondere Bergwertung am Hotel Weißenburg kurz hinter (nördlich von) Billerbeck angekündigt. Über 1.100 Meter lang sollten die Durchfahrzeiten auf den etwa 5% Steigung gemessen werden sowohl für die mittlere als auch für die lange Distanz. Die drei schnellsten Fahrerinnen und Fahrer sollten einen ROSE-Gutschein erhalten in Höhe von 500 € (1. Platz), 250 € (2. Platz) oder 150 € (3. Platz). Und für Platz 2499 in dieser Wertung gab es noch ein neues ROSE Carbon Rahmenset.
Bei der Anreise per ICE und IC standen im Fahrradabteil des IC sechs
Rennräder, alle mit Scheibenbremsen und vier davon mit Elektro-Schaltung.
Leider wurde genau in der Woche der Veranstaltung an der Strecke
Göttingen-Paderborn gebaut, so dass die schöne Zugverbindung nicht genutzt
werden konnte.
Am frühen Morgen des Renntages stand ich bei nur 5°C Außentemperatur auf, beim Start stiegen die Temperaturen schon auf 8°C und laut Fahrradcomputer erst nach 11 Uhr auf 10°C. Es war kalt! Durch den neutralen Start im Innenstadtbereich auf dem Kopfsteinpflaster konnten keine Nebenstraßen zum Einrollen und Warmfahren genutzt werden. Also drehte ich zunächst vom Hotel aus zwei Runden um den Block, bevor ich mich in Startblock E stellte. Glücklicherweise folgte noch ein Startblock dahinter. Ich hatte schon Sorgen gehabt, sehr weit hinten zu starten und gleich von Anfang an in einem dünnen Feld ohne viele Gruppen unterwegs zu sein. Meine Anspannung in den letzten zwei Tagen vor dem Rennen war schon ziemlich hoch gewesen, und die Nervosität im Startblock zeigte sich am vom Fahrradcomputer gemessenen Puls.
Und Start!Das Losrollen des Blocks bis zur Startlinie war auf dem Kopfsteinpflaster sehr ungemütlich, doch danach ging es schnell auf Asphaltstraßen und dann ein oder zwei Kilometer weiter bis zum Start der offiziellen Zeitmessung. Anschließend zog das Tempo ordentlich an auf etwa 40 km/h auf den ersten paar Kilometern und lag dann im Schnitt bei knapp 35 km/h bis zu den ersten kleinen Anstiegen nach etwa 16 Kilometern. Der größte Anstieg des Rennens erfolgt über knapp 100 Höhenmeter zwischen Kilometer 21 und 24. Diesen Anstieg fuhr ich bereits bei mehreren Austragungen des Giro, und jedesmal gab es Probleme auf Grund des schmalen Weges und der vielen sehr langsamen Leute. Diesmal war es allerdings extrem, denn es gab über mehrere hundert Meter einen "Stillstand" mit kaum Schrittgeschwindigkeit, der ganz schwierig zu bewältigen war. Einmal mußte ich sogar kurz den linken Fuß ausklinken, um nicht umzufallen bei 8% Steigung, was hinter mir zu Fluchen führte, aber es gab leider kein Vorbeikommen an den teilweise rechts schiebenden Leuten. Und ich "fuhr" auch sofort weiter. Alles ein Effekt des hinteren Startblocks E mit zu fielen "Flachlandfahrern". Während der "Meckerphase" meinte jemand in meiner Nähe, diese Steigung käme er im Training auch nicht hoch. Glücklicherweise flachte die Steigung irgendwann ab, die allgemeine Geschwindigkeit nahm wieder zu, und durch die Steigung war mein Unwohlsein auf der bisherigen Strecke komplett verschwunden.Nach exakt einer Stunde hatte ich trotz der neutralen Phase schon 37 Kilometer zurückgelegt! Bis km 38 führte die Strecke zumeist abwärts oder flach, bevor zwei weitere kürzere Anstiege mit max 9% sowie max 7% folgten (letzterer bei km 45). Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich meine Umgebung schon stark ausgedünnt, es gab schon länger kein großes Feld mehr sondern viele einzelne Teilnehmer und kleine Gruppen. Bei km 43 und 46 gab es zwei Kreuzungen mit Streckenbegegnungen. Die Gruppe, die mir an der ersten Kreuzung entgegen kam, hatte bereits 15 Kilometer mehr zurückgelegt als ich! Nach einem kurzen 7%-Anstieg bog ich bei km 54 in einen Waldweg ein. In den letzten Jahren muß das "leider" häufig sein, manchmal aber eher für die Psyche, um mit einer Minute Standzeit wieder den Kopf frei zu kriegen. Während der kurzen Pause sah ich nur noch einzelne Fahrer vorbeirollen. Bei km 62 hielt ich an der Verpflegungsstelle in Billerbeck, füllte Wasser nach (ich hatte bereits 1 1/2 Flaschen geleert) und nahm einen Müsliriegel (eine halbe Banane wäre wohl besser gewesen).
Am Ortsausgang von Billerbeck fand die angekündigte Bergwertung über 1100 Meter Länge statt: Spontan entschloß ich mich angesichts meines guten Zustands zu einem Bergsprint und beschleunigte stark bei Überqueren der Zeitmessungslinie und fuhr die ersten paar hundert Meter mit 31 km/h. Irgendwo in der ersten Hälfte des "Anstiegs" rief mir ein anderer Radrennfahrer "gute Geschwindigkeit" hinterher. Gefühlt war ich fast doppelt so schnell wie die ganzen überholten Leute. Allerdings fragte ich mich dann, wo denn der "Berg" anfangen würde, da die Steigung nur bei 1-2% lag. Erst ab dem 500-Meter-Schild gingen die Werte nach oben bis auf maximal 5%. Anschließend sollte es bis zum Ziel im Wesentlichen leicht fallend oder flach weitergehen, der schlimmste noch folgende Anstieg bestand aus einer Autobahnbrücke bei km 85.
Die Fahrt erfolgte nach dem Bergsprint eher einzeln oder in ganz kleinen 2er- oder 3er-Gruppen, die aber schnell wieder zerfielen. Urplötzlich nach einer 90-Grad-Kurve bei km 78 zerfiel ich selbst: Der Mann mit dem Hammer kam und zog mir den Stecker. Nichts ging mehr, ich fühlte mich komplett platt und kraftlos. Vielleicht lag es an der Kälte, obwohl ich nach der Warterei im Startbereich nicht froh und einigermaßen gekleidet war, oder am eisigen Wind, der vor allem in diesem Bereich von schräg-vorne kam, oder an zuwenig Essen. Wie oben beschrieben hätte vielleicht eine Banane an der Verpflegungsstelle zu einem anderen Ausgang geführt. Auf jeden Fall fiel meine Durchschnittsgeschwindigkeit spontan und für die nächsten zehn Kilometer auf 25 km/h ab. Ich quälte mich alleine vor mich hin, konnte keinen überholenden Leuten und keiner kleinen Gruppe folgen und versuchte es auch gar nicht. Energieriegel und Wasser wurden geschluckt, zeitweilig war ich kurz davor, erst einmal anzuhalten. Doch ich rollte "gemächlich" (naja, mit 25 km/h halt) weiter. Knapp zehn Kilometer vor dem Ziel konnte ich doch noch an eine 5er-Gruppe andocken und im Windschatten mitfahren. So ging es schließlich nach Münster hinein und bis zum Zielstrich, immer schön im Windschatten der kleinen Gruppe rollend. Der Schloßplatz war rappeldicke voll. Ich traf ja auch so ziemlich am Ende des ganzen Feldes der mittleren Distanz im Ziel ein. Naja, nicht ganz am Ende, denn sogar fast eine halbe Stunde später erreichten immer noch einzelne Teilnehmer das Ziel. Die Schlange an der Medaillenausgabe war zu lang, und ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Zur Pasta-Party (mit Schlange und dem Zwang, das teure Rennrad in den zahlreichen Radhalterungen abzustellen) fehlte mir die Motivation, so dass ich mich an die Pommes-Bude mit sehr kurzer Wartezeit stellte und am Stehtisch, fast abgestützt auf das Rennrad, eine Portion verzehrte. Immer wieder interessant, wie schnell die neue Energie aufgebaut wird. Bei Verlassen des Schloßplatzes kam ich an der Ausgabestelle für regionale Bioprodukte vorbei und holte mir die Tüte als Alternative zur Pasta. Nach einigen Schiebereien durch die Menschenmenge konnte ich wieder auf das Rennrad steigen und neben den Absperrgittern der Innenstadtrunde entlang rollen, bis ich abbiegen mußte und nach ein paar weiteren Minuten am Hotel eintraf. Meine eigene Messung im Garmin-Fahrrad-Computer zeigte eine Streckenlänge inklusive der neutralen Phase von 96.3 km mit 625 Höhenmetern. Dafür benötigte ich 3:21:10 Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 28.7 km/h, einem Maximum von 59.1 km/h. Die durchschnittliche Herzfrequenz lag bei 141 bpm (max 167 bpm) und die Trittfrequenz betrug 79 U/min. Die offizielle Zeitmessung betrug 3:15:56 Stunden, was Platz 1589 von 1848 bedeutete bzw Platz 281 von 346 in der Alterklasse Master 3. In der Bergwertung kam ich mit 2:23 Minuten auf Platz 1355 von 4837 gewerteten Teilnehmer:innen. Innerhalb "meiner Sekunde" lagen die Plätze 1312 bis 1373, wobei sich die Durchschnittsgeschwindgkeiten im Bereich von 25,35 km/h bis 25,18 km/h bewegten, meine betrug 25,24 km/h. Die Siegerzeit betrug 1:29 Minuten mit einem Schnitt von 40,90 km/h! Die Siegerzeit über die mittlere Distanz betrug 2:10:57 Stunden. Die ersten drei erreichten das Ziel mit über sechs Minuten Vorsprung auf die nächste Dreiergruppe, die selbst noch einmal mehr als eine Minute vor der dritten Grupe lag. Insgesamt erreichten 1848 Männer das Ziel. Die schnellste von 187 Frauen benötigte 2:20:46 Stunden. Auf der langen 125-km-Distanz benötigten der Sieger 2:52:55 Stunden und die Siegerin 3:04:13 Stunden. Es erreichten 1151 Männer und 69 Frauen das Ziel. Auf der kurzen 65-km-Distanz betrugen die Siegerzeiten 1:32:18 bzw 1:38:38 Stunden bei 1278 bzw 326 Finishern.
NachmittagIm Hotel gab es eine heißen Dusche und eine guten Stunde im Bett zum Aufwärmen. Zwischendurch verzehrte ich Joghurt und Brötchen aus der Bio-Tüte. Gegen 14:30 Uhr brach in dann wieder auf und ging mit einigen Umwegen wegen der vollständig gesperrten Innenstadtstrecke mit nur ganz wenigen Quermöglichkeiten wieder zum Schloßplatz. Dort holte ich meine Finisher-Medaille ab, nun ganz ohne Schlange, und lief dann einmal über die Radmesse. Anschließend begab ich mich in das Cafe an der Kreuzung am Ende des Zielbereichs und holte mir einen heißen Tee und etwas Gebäck. Da es so warm in dem Cafe war, saß ich im TdE-T-Shirt am Tisch, und am Hals baumelte noch die Medaille. Kurz darauf fragte ein älterer Herr, ob er sich dazu setzen könne, und fragte gleich, ob ich am Rennen teilgenommen hätte. Es entstand ein längeres nettes Gespräch über Jedermannradrennen, da er mit seinen 87 Jahren noch immer ab und zu Rennrad fahren würde und außerdem früher sowohl in Münster als auch bei den Hamburg Cyclassics mitgefahren war.Kurz nach 16 Uhr trennten wir uns, er wollte das Profirennen am Fernseher verfolgen, während ich zum Zielbereich ging und erst eine Zeit lang an einem Tisch sitzend das Rennen auf dem riesigen Bildschirm neben dem Ziel verfolgte und später dann von einer Stelle etwa 20 Meter hinter dem Ziel an der Absperrung. Allerdings kam ich nicht durch bis in die erste Reihe. Die Absperrungen waren komplett gesäumt auf beiden Seiten von zahlreichen Zuschauern. Unter diesen befanden sich viele Eriträer und Fans von Biniam Germay, der bei der diesjähringen Tour de France als Sprinter mehrfach zugeschlagen hatte. Es wehten einige eriträische Flaggen im Zielbereich. Als die Profis gegen 17 Uhr zu ihren drei Runden durch Münster und damit auch vier Mal durch das Ziel fuhren, sah ich nur Helme schnell vorbeirauschen. Im Grunde verfolgte ich das Rennen und auch den finalen Zielsprint im TV-Bild auf dem riesigen Bildschirm. Es gab ein belgisches Podium mit Jasper Philipsen als Sieger. Auf den Plätzen vier und fünf kamen Girmay und Max Walscheid als bester Deutscher ins Ziel. Eine halbe Minute nach dem Sieger fuhr der deutsche Radprofi Simon Geschke beim letzten Radrennen seiner Karriere unter dem Jubel der Zuschauer in den Zielbereich ein. Auf seinem Rückweg zur Verabschiedung nach der Siegerehrung konnte ich ihn zusammen mit dem früheren Radprofi und jetzigen Mitorganisator Fabian Wegmann fotografieren.
Videos des Rennens: |